Still werden. Ganz werden.
Es gibt in mir einen Ort, der keine Worte braucht. Einen Raum, in dem das Leben nicht erklärt, nicht verbessert, nicht kontrolliert werden muss. Ich habe ihn nicht gefunden – er hat mich gefunden. Immer dann, wenn ich still wurde.
MEDITATIVES SCHREIBEN
7/15/20253 min lesen
Still werden. Ganz werden.
Ein Weg zurück zu mir selbst
Es gibt in mir einen Ort, der keine Worte braucht. Einen Raum, in dem das Leben nicht erklärt, nicht verbessert, nicht kontrolliert werden muss. Ich habe ihn nicht gefunden – er hat mich gefunden. Immer dann, wenn ich still wurde.
Nicht das äußere Stillsein meine ich – nicht das Schweigen im Raum oder die Abwesenheit von Geräuschen. Es ist ein anderes Stillwerden. Ein inneres Zurücktreten. Ein Aufhören. Ein Loslassen. Als würde etwas in mir sagen: „Genug jetzt. Sei einfach da.“
Ich erinnere mich an einen Abend, an dem alles in mir unruhig war. Der Tag war voll gewesen – voll von Stimmen, Aufgaben, Gedanken. Ich fühlte mich müde, aber nicht leer. Eher überfüllt. Voll von Eindrücken, von Lärm. Ich setzte mich auf den Boden, nicht weil ich etwas suchte, sondern weil ich nichts mehr wusste. Ich saß einfach da.
Und dann kam sie – die Stille. Zuerst zögerlich, wie ein Tier, das prüft, ob es willkommen ist. Dann allmählich, sanft, umfassend. Und in ihr: eine Ahnung von Ganzsein. Keine spektakuläre Erkenntnis. Kein Lichtstrahl. Nur dieses eine, einfache Gefühl: Ich bin da. Und das genügt.
Seitdem weiß ich: Wenn ich still werde, werde ich ganz.
Nicht, weil ich etwas dazulerne. Sondern weil ich aufhöre, gegen mich selbst zu arbeiten. Weil ich zulasse, was ist. Meine Angst. Meine Freude. Meine Müdigkeit. Mein Wunsch, gehalten zu sein. All das, was ich sonst oft verdränge, darf plötzlich da sein – und genau dadurch verändert es sich.
Es ist paradox: Je mehr ich gegen etwas in mir ankämpfe, desto größer wird es. Doch wenn ich es betrachte – ohne Urteil, ohne Flucht – beginnt es, sich zu lösen. Nicht, weil ich es zwinge. Sondern weil ich es endlich annehme.
In der Stille zeigt sich das Leben in seiner tiefsten Form. Nicht als Spektakel. Nicht als Drama. Sondern als Gegenwart. Als Sein.
Ich habe gelernt, dass ich nicht werden muss. Ich bin. Und das reicht.
Oft werde ich gefragt: Was bringt dir das Stillsein? Und ich antworte nicht mit Argumenten. Ich antworte mit einem Lächeln. Denn Stillwerden bringt mir nichts – es nimmt mir nur das, was ich nicht bin. Es nimmt mir das Getriebensein, das Vergleichen, das innere Zerren. Und es gibt mir zurück, was ich längst vergessen hatte: mich selbst.
Ich beginne zu verstehen, dass Ganzsein kein Zustand ist, den ich erreiche. Es ist ein Erinnern. Eine Rückverbindung. Ich war nie nicht ganz – ich hatte es nur überhört. Unter dem Lärm, unter den Geschichten, unter all dem, was ich glaubte sein zu müssen.
Stillwerden ist für mich heute wie Heimkommen. Nicht in ein Haus. Sondern in einen Zustand. In ein inneres Feld von Weite, von Sanftheit, von Präsenz. Dort muss ich nichts erklären. Nichts darstellen. Dort darf ich einfach: sein.
Ich spüre: Je mehr ich diesen Raum in mir achte, desto feiner werde ich. Nicht schwächer. Feiner. Durchlässiger. Und gleichzeitig geerdeter. Ich muss nicht mehr alles kontrollieren, nicht mehr alles wissen. Ich darf vertrauen.
Denn das Leben – so spüre ich in der Stille – ist nicht gegen mich. Es ist für mich. Auch wenn ich es nicht immer verstehe. Auch wenn es weh tut. Auch wenn es still bleibt, wenn ich schreie.
Stillwerden bedeutet auch, zu hören, was sich sonst nicht zeigt. Alte Stimmen in mir. Verletzte Teile. Ungehörte Wünsche. Nicht, um sie zu analysieren – sondern um sie zu umarmen.
Ich sitze heute oft still. Nicht, weil ich muss. Sondern weil ich darf. Ich lehne mich zurück, atme, und lasse alles kommen, was kommt. Gedanken, Gefühle, Erinnerungen. Ich renne nicht mehr weg. Ich lasse sie durch mich hindurchfließen. Und am Ende bleibt: Weite.
Ich glaube, wir alle sehnen uns nach Ganzheit. Nicht als Ideal, sondern als Erinnerung. Wir spüren, dass etwas fehlt – nicht weil wir zu wenig sind, sondern weil wir zu viel geworden sind von dem, was wir nicht sind.
Ganzwerden ist für mich kein Ziel mehr. Es ist eine Bewegung. Eine Rückkehr. Ein stilles Ja zum Leben, wie es ist.
Und in dieser Bewegung, in dieser Stille, geschieht etwas Wunderbares: Ich erkenne mich selbst – nicht als Konzept, nicht als Bild, sondern als fühlendes, lebendiges Wesen. Zerbrechlich. Stark. Vollständig.
Ich wünsche mir, dass wir einander diese Stille schenken. Nicht mit Ratschlägen, nicht mit Lösungen. Sondern mit unserem Dasein. Mit offenen Augen. Mit offenen Herzen.
Denn wenn ich still bin – wirklich still – dann höre ich auch dich. Nicht nur deine Worte. Sondern dein Sein.
Und dann, in dieser gemeinsamen Stille, werden wir ganz.
Zusammen.
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