Der Trost des Einfachen

Es gibt Tage, da brauche ich nichts als einen stillen Platz, eine Tasse warmen Tee und ein wenig Licht, das durch das Fenster fällt. Dann spüre ich: Es ist genug. Alles in mir wird weich, und das Leben tritt einen Schritt näher. Nicht laut, nicht mit großen Gesten – sondern schlicht, einfach, tröstlich.

MEDITATIVES SCHREIBEN

8/10/20253 min lesen

Der Trost des Einfachen

Wenn wenig genug ist

Es gibt Tage, da brauche ich nichts als einen stillen Platz, eine Tasse warmen Tee und ein wenig Licht, das durch das Fenster fällt. Dann spüre ich: Es ist genug. Alles in mir wird weich, und das Leben tritt einen Schritt näher. Nicht laut, nicht mit großen Gesten – sondern schlicht, einfach, tröstlich.

Ich habe lange gesucht. Nach dem Besonderen, dem Größeren, dem Mehr. Ich glaubte, das Glück liege in der Ferne, in den Höhepunkten, den Ausnahmezuständen. Ich träumte vom nächsten Schritt, vom nächsten Ziel. Und immer wieder kam ich dort an – nur um festzustellen, dass das Herz leer blieb.

Erst viel später begann ich zu verstehen: Nicht das Große tröstet – sondern das Einfache.

Ein Lächeln ohne Grund.
Ein Brot, das noch warm ist.
Ein Blick in die Weite, wenn der Tag beginnt.
Ein Stein in der Hand, glatt und schwer vom Fluss getragen.

Diese Dinge, unscheinbar und oft übersehen, sind es, die mich heute berühren. Denn sie fordern nichts. Sie sind einfach da – und erlauben mir, es auch zu sein.

Früher dachte ich, das Leben müsse spektakulär sein, um wahr zu sein. Heute weiß ich: Es ist das Einfache, das bleibt. Das Reduzierte. Das, was man nicht kaufen, nicht planen, nicht festhalten kann.

Ich erinnere mich an einen Abend im Spätherbst. Ich war allein zu Hause. Kein Geräusch im Haus, nur das Knistern der alten Heizung, der Duft von Apfel und Zimt. Ich saß mit einer Decke auf dem Boden, die Hände um eine Tasse gewickelt. Und plötzlich war da eine Stille in mir, die nicht leer, sondern voll war. Voller Wärme. Voller Dasein. Voller Dankbarkeit.

Es war nichts Besonderes passiert – und doch war alles da.

Der Trost des Einfachen liegt nicht im Verzicht, sondern in der Wiederentdeckung. Wir verlernen oft zu sehen, was direkt vor uns liegt. Die Welt bietet uns unendlich viel – aber oft auf Kosten des Wesentlichen. Und so verlernen wir zu schmecken, was wir essen. Zu hören, was nicht laut ist. Zu fühlen, was schon da ist.

Ich lerne, die Dinge wieder einfach zu halten.

Ein Tisch – ohne Dekoration.
Ein Tag – ohne Eile.
Ein Gespräch – ohne Zweck.

Das Einfache ist nicht arm. Es ist klar. Es ist durchlässig. Es lässt Raum – für das, was echt ist. Für das, was sich nicht erklären lässt, aber dennoch trägt.

Ich glaube, wir Menschen tragen eine tiefe Sehnsucht nach Einfachheit in uns. Wir wollen nicht ständig wählen, kämpfen, beweisen. Wir wollen sein. In Ruhe. In Beziehung. In Frieden mit dem, was ist.

Aber das Einfache braucht Mut. Denn es zeigt uns, wie viel wir angehäuft haben, ohne es wirklich zu brauchen. Es nimmt uns das Ablenkende – und schenkt uns das Wesentliche zurück.

Ein Spaziergang ohne Musik im Ohr.
Ein Tag ohne Pläne.
Ein Gedanke, der nicht zu Ende gedacht werden muss.

Dort, wo das Einfache Raum bekommt, wird etwas still in mir. Und in dieser Stille atmet etwas auf. Es ist, als würde das Leben selbst sich erleichtern – von allem Überfluss, allem Müssen, allem Wollen.

Manchmal frage ich mich: Wie viel brauche ich wirklich, um glücklich zu sein?

Die Antwort ist immer dieselbe: Weniger, als ich dachte.

Ich brauche ein Gegenüber, das mich sieht.
Ich brauche ein Dach über dem Kopf, das nicht glänzt, aber trägt.
Ich brauche Zeit – nicht für Leistung, sondern für mich.

Und ich brauche die Erlaubnis, mich dem Einfachen wieder zuzuwenden, ohne mich dafür rechtfertigen zu müssen.

Denn das Einfache ist kein Rückschritt – es ist Rückbindung. An das Echte. An das Leben. An mich selbst.

Wenn ich heute durch mein Zuhause gehe, sehe ich nicht mehr das, was fehlt. Ich sehe das, was genügt. Die alte Schale auf dem Tisch, gefüllt mit kleinen Steinen. Der Stuhl, der knarrt, aber nie wankt. Das Fenster, durch das das Licht fällt wie eine stille Antwort auf eine Frage, die ich gar nicht gestellt habe.

Dort finde ich Trost.

Nicht als Lösung.

Sondern als Dasein.

Und ich begreife: Das Einfache hat kein Ziel. Es ist. Und genau darin liegt sein Wert.